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Tourismus und Lebensraum

Wie die Ankündigungen und Berichte zum BÖTM-Topseminar 2015 belegen, ist das Thema „Tourismus und Lebensraum“ inzwischen auch bei den Destinationsmanagern angekommen. Das ist erfreulich! Den Rahmen für die Tagung bildete mit dem Bregenzerwald zudem eine Region, in der Lebensraum- und Kulturraumgestaltung eine hohe Priorität besitzen, die sich durch Regionalität (speziell was Landwirtschaft und Handwerk anbelangt) und Authentizität auszeichnet - und die nicht zuletzt auch touristisch erfolgreich agiert.

Differenzierte Betrachtung erforderlich

Die Erkenntnis, dass im Zusammenspiel von Tourismus und Lebensraum für die Einheimischen die richtige - und gewiss auch regional individuelle - Mischung Bedeutung besitzt ist, ist nicht gerade neu: Der Spruch "Wo sich die Einheimischen wohlfühlen, fühlen sich auch die Gäste wohl!" geistert seit Jahrzehnten durch die touristische Literatur und er wird in Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen nach wie vor bemüht.

Angesichts meiner Beobachtungen und Erfahrungen kann ich mir gut vorstellen, dass es im Hinblick auf die Frage, was denn ein Lebensraum sei, in dem sich die Einheimischen wohlfühlen und der gleichzeitig auch als Tourismusraum attraktiv ist, einiges zu diskutieren gibt. Beim Start einer solchen Diskussion wäre jeweils auch zu klären, welche Gruppen von Einheimischen und welche Gästetypen dabei im Fokus stehen.

Wohlfühlen - eine Frage der Perspektive

Ich bin davon überzeugt, dass es Destinationen bzw. Tourismusorte gibt, in denen sich die Gäste für die kurze Zeit ihres vorübergehenden Aufenthalts pudelwohl fühlen, während man das jedenfalls für einen Teil der dort Einheimischen nicht behaupten kann. Absolute Monostrukturen mit gähnender Leere zwischen den Saisonen, hohe Kosten für das Wohnen, bedingt durch das beschränkte Baulandangebot in den alpinen Tälern und / oder aufgrund der starken Nachfrage nach Freizeitwohnsitzen sind nur zwei Aspekte unter vielen.

Auch besteht dort nicht nur eine mit statistischen Daten zu belegende, offizielle Abwanderung, sondern es existiert auch so etwas wie eine "versteckte“ Abwanderung. Mit letzterer meine ich die allenthalben vollzogene räumliche Trennung von Betriebsstandort und privatem Lebensmittelpunkt von Touristikern. Dabei denke ich nicht an die abseits vom Betrieb situierte Wohnung innerhalb ein und derselben Gemeinde, sondern ich denke an die Auslagerung des Lebensmittelpunktes in tiefer gelegene, wärmere Lagen oder auch in urbane Agglomerationen. Beide Formen der Abwanderung haben etwas mit mangelnder Qualität des Lebensraumes im Tourismusort für dauerhaft Wohnende zu tun und beide Formen haben Konsequenzen für die soziale Struktur und das gesellschaftliche Leben in der Destination.

Tausendsassa Destinationsmanager?

Vor dem Hintergrund der beim BÖTM-Topseminar getroffenen Aussage, dass die Destinationsmanager gefordert seien, als Standortentwickler zu agieren, stellt sich mir doch die Frage, ob die Befassung mit den eben beispielhaft angeführten Phänomenen und anderen Entwicklungen mit Einfluss auf Funktion und Qualität des Lebensraumes Aufgabe der Destinationsmanager sein kann. Ob sie in der Lage sind, kraft ihrer Funktion und Kompetenzen auf diese Entwicklungen unmittelbar Einfluss zu nehmen, wage ich jedenfalls zu bezweifeln.

Schnittstelle zu Gemeinde und Regionalmanagement

Dennoch ist es zu schätzen, dass die Destinationsmanager die Frage "Tourismus und Lebensraum" aufgreifen. Sie können in ihrer Region die Sache thematisieren und meinungsbildend wirken. Sie können sich dazu jene Partner suchen, die dank ihrer politischen Funktion oder ihres beruflichen Auftrags über Instrumente und Möglichkeiten verfügen, konkrete Beiträge zur Bewältigung dieser Herausforderungen zu leisten. Das sind zum einen die Gemeindeverantwortlichen, allen voran die Bürgermeister, und das sind zum anderen die Regionalmanagements, jedenfalls dort, wo solche eingerichtet sind - was in vielen Tourismusregionen Österreichs der Fall ist.

An den Schnittstellen zum Regionalmanagement decken sich die Interessen der Destinationsmanager nach einer tourismuswirksamen, nachhaltigen Lebensraumgestaltung mit den von den Regionalmanagements für die Leader-Periode 2014 bis 2020 formulierten (und von Land, Bund und EU abgesegneten) Strategien, Zielen und Maßnahmenplänen für die Region. Denn in der neuen Förderperiode stehen in aller Regel nicht mehr rein touristische Intrastrukturprojekte im Vordergrund (da wurde in den bisherigen Leader-Perioden sehr viel geleistet), sondern es geht in erster Linie um Projekte, die der Gestaltung und nachhaltigen Sicherung eines attraktiven Lebensraumes dienen. Themen, die in diesem Zusammenhang auf der Agenda stehen, sind u.a. Regionalität, Verbreiterung der regionalen Wertschöpfung, Innovation und KMU, Energie, Mobilität, Gemeinwohl, Natur- und Kulturlandschaft.

Wichtig - der Blick aufs Ganze

Damit schließt sich der Kreis zu Anregungen, die beim BÖTM-Topseminar im Bregenzerwald eingebracht wurden. Im Sinne der Zukunftssicherung der touristischen Grundlagen sind die Destinationsmanager zweifellos gefordert, über die rein touristischen Interessen hinauszudenken und das System Tourismusdestination bzw. Tourismusregion in allen Facetten zu betrachten. Sie müssen dort, wo es angebracht ist, ihre Stimme erheben und, sofern möglich, auch Weichen stellen. Denn wer ist im Hinblick auf die Thematik „Destination als Lebensraum“ glaubwürdiger als ein Destinationsmanager, der - jedenfalls nach innen - nicht nur mit Nächtigungszahlen, Marketingbudgets und touristischen Infrastrukturen argumentiert, sondern der seine Aufmerksamkeit auch jenen Herausforderungen zuwendet, die vordergründig nicht als touristisch erscheinen, deren Bewältigung aber sehr wohl der Weiterentwicklung und langfristigen Absicherung der Grundlagen des Tourismus dient. Für die fachliche Ausarbeitung und Umsetzung stehen ihm in der Regel kompetente Partner vor Ort zur Verfügung.

16. Oktober 2015


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