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Rekordjagd

Während kleine Aufstiegsanlagen und Skigebiete vielfach mit öffentlicher Hilfe und / oder privaten Initiativen ums Überleben kämpfen, buhlen die Großen mit stets neuen Rekorden um die Gunst der Gäste. Ihr Bemühen um Aufmerksamkeit und Alleinstellung ist verständlich, führt mitunter aber zu merkwürdigen Situationen, die die Frage nach der Dauerhaftigkeit und dem Werbewert von Rekorden und Superlativen aufwerfen. Schneesicherheit und Höhenlage, rascher Transport mit Aufstiegsanlagen, perfektes Skibussystem, Funparks, Kinderbetreuung, etc. zählen längst zu den Grundvoraussetzungen eines Skigebiets. Zusatzangebote wie Nachtskilauf, Sonnenaufgangsfrühstück, Mondscheinmenüs, Messung der persönlichen skifahrerischen Leistung und vieles mehr ergänzen und bereichern das klassische Skierlebnis. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, aber nicht nur in Bezug auf die Schaffung neuer Produkte, sondern auch im Hinblick auf die Vermarktung des Angebots.

Wer ist der Höchste, Größte, Längste?

So gelangte dieser Tage in Tirol eine schon länger schwelende Auseinandersetzung in die Medien, wonach Kühtai und Hochgurgl darum rittern, wer denn nun der höchst gelegene Skiort im Lande sei. Und zur Vorlage von Beweisen kann sich Kühtai sogar vorstellen, die Höhenlage seiner Kapelle neu vermessen zu lassen. Aus dem Vollen schöpft der Erfindergeist auch, wenn es um andere Superlative geht. Gefragt ist der erste, höchste, längste, größte, schnellste usw. Egal ob es sich um die Zahl der Pistenkilometer handelt, die steilste Piste, die höchste Haubenküche, das dem Himmel am nächsten gelegene Cafe etc. Und da sind natürlich auch Österreichs Gletscherschigebiet mit dabei: So ist eines das einzige, in dem das ganze Jahr über Ski gelaufen werden kann, ein anderes ist das größte und wieder ein anderes das höchste. Zugleich befindet sich dort auch Österreichs höchster Punkt, an dem ein Espresso serviert wird – und das mit etwas Glück, denn auf der einige Meter höher gelegenen Adlersruhe am Großglockner steht derzeit noch keine Espressomaschine zur Verfügung.

Diskussionsbedarf besteht offenbar auch zwischen Destinationen, die je nach Situation Partner oder Mitbewerber sind. So versteht sich das Ötztal schon seit einiger Zeit als „Der Höhepunkt Tirols.“ Allerdings besserten die Pitztaler inzwischen mit gekonnter Kreativität nach und vermarkten sich dank neuer Bahn als „Tirols neuer Höhepunkt“. Der kluge Gast erkennt darin zweifellos die stetig voranschreitende touristische Weiterentwicklung.

Der Reiz magischer Grenzen

Auch bei den Höhenangaben wird gerne auf elegante Weise aufgerundet. Das klingt besser, ist eindrucksvoller und schließlich merkt man sich runde Zahle leichter. Magische Grenzen zu denen man gerne aufschließt sind 1.500, 2.000, 2.500 oder 3.000 m, auch wenn in der Realität eine mehr oder weniger große Lücke klafft. Im Notfall können es auch einmal 1.700 m sein. Die 100 Pistenkilometer, eine weitere magische Grenze, sind nicht nur ein Indikator für die Vielseitigkeit eines Skigebiets, sondern sie werden auch gerne als Argument für den Zusammenschluss von Skigebieten herangezogen. Oftmals ungeachtet der langen Schrägfahren und Ziehwege, die sich im wahrsten Sinne des Wortes ziehen können. Hinzu kommen aktuelle Diskussionen über die Ausweisung von Pistenkilometern, denn nach aktuellen Untersuchungen wird hier eher mehr als weniger angeführt und auf durchaus unterschiedliche Weise gerechnet.

Verständlich aber vergänglich

Die Bemühungen um erste Plätze, Superlative und Rekorde in der touristischen Produktentwicklung und Vermarktung sind verständlich und nachvollziehbar. Um langfristig erfolgreich sein zu können, sind eine laufende Verbesserung des Angebots, die Erregung von Aufmerksamkeit sowie die Bindung bestehender und die Gewinnung neuer Kunden unerlässlich. Allerdings ist mit der oft kurzen Halbwertzeit von Rekorden zu rechnen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist im westlichsten Bundesland zu beobachten, wo vor zwei Jahren dank einer Seilbahnverbindung, aber ohne dazugehörige Skipiste, das größte Skigebiet im Ländle entstanden ist. Bereits im kommenden Winter ist es damit aber schon wieder vor vorbei, denn da springen die Kollegen vom Arlberg auf die oberste Stufe des Stockerls, und das mit Respektabstand.

Wie viel Werbewirkung tatsächlich mit Rekorden und Superlativen verbunden ist, sei dahingestellt. Ihren Reiz haben sie allemal, für die Akteure, die miteinander im Wettbewerb stehen ebenso wie für die Gäste. Sie können aber schon bald wieder Geschichte sein. Und daher ist es wichtig, auf die vielen anderen Qualitäten im touristischen Angebot besonderen Wert zu legen. Das ist nachhaltig und trägt zur Kundebindung bei. Rekorde allein reichen nicht aus, denn der Tross zieht weiter, sobald anderswo der Rauch aufgeht.

12. März 2013


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