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Japan - (k)ein Wintermärchen

Im Umfeld des Interski-Kongresses in St. Anton am Arlberg sollen neue Themen in Zusammenhang mit dem Skisport diskutiert werden. Ein Artikel auf ORF Online erwähnt japanische Skigebiete, die heuer wegen fehlender Kaufkraft in der Bevölkerung geschlossen hätten. Doch dies ist bei weitem nicht der einzige Grund für Probleme im japanischen (und durchaus auch weltweiten) Skitourismus.

Erste weite Verbreitung in den 1920er Jahren

Seit der österreichische Offizier Theodor von Lerch 1911 das Skifahren systematisch im japanischen Militär eingeführt hatte, erfuhr der Skisport im Land der aufgehenden Sonne eine unglaubliche Popularität und mehrere große Boomphasen. Bereits Mitte der 1920er Jahre wurde Skifahren zu einer der wichtigsten Freizeitaktivitäten der Bewohner der schneebedeckten Bergregionen im Nordost- und Südwestjapan und zudem zur neuen Freizeitaktivität der urbanen Elite.

Boomphasen bis in die 1990er Jahre

Zwischen 1960 und 1973 erlebte der japanische Skitourismus die erste große Boom- und Investitionsphase, die zweite, noch kapitalintensivere, folgte 1980 und 1993. In diesen Jahren wurde der japanische Skimarkt nach Skifahrerzahlen hinter den USA als zweitstärkster Markt weltweit gereiht, 1993 wurde bereits in zwei Drittel der japanischen Skigebiete Kunstschnee produziert.

Schließung kleiner, niedrig gelegener Skigebiete

Nach dem Zerplatzen der Bubble Economy zogen sich jedoch urbane Geldgeber aus der Skiindustrie zurück. Von 1994 bis 2004 konnte in zahlreichen Skigebieten nur wenig investiert werden, wovon heute veraltete Anlagen zeugen. Aktuell sind etwa 200 der bis zum Jahr 2004 erschlossenen 700 Schigebiete nicht mehr in Betrieb. Dabei handelte es sich vor allem um kleine Gebiete in niedrigen Lagen, die mit den großen Playern nicht mehr konkurrieren konnten.

Spezialisierung und Positionierung

Und nun folgen die neueren Entwicklungen, die Probleme verursachen: Zum einen ist Skifahren nicht mehr als einzige Winteraktivität in Mode. Zum anderen zeigen sich auch in Japan die Auswirkungen der Klimaerwärmung u.a. in einer Steigerung der Beschneiungsnotwendigkeit. Die Kombination aus sinkenden Skifahrerzahlen und ungünstigen Klimakonditionen führt zu einem Angebotsüberhang an Skigebieten und damit auch zu vermehrten Schließungen. Neue Lösungen für Skidestinationen werden in Japan - ähnlich wie bei uns - diskutiert und erforscht. Eine grundlegende Erkenntnis dabei ist, dass sich die Führung der meisten Gebiete stärker an regionalen Voraussetzungen orientieren und einzigartige Angebote schaffen muss. Positionierung lautet die Devise!

Viele Parallelen zu alpinen Destinationen

Teilsegmente im Markt, die für den japanischen Skitourismus relevant sind, sind vor allem die zunehmende Zahl ausländischer Skifahrer aus Australien und Korea, die Rückgewinnung inaktiver Japaner im mittleren Alter, die früher Ski gefahren sind und heute mit ihren Kindern nicht mehr dem Skisport frönen, ältere japanische Skifahrer, die weit mehr Zeit mitbringen als der japanische Durchschnittsbürger, und nicht zuletzt ökologisch orientierte Japaner, die dem Skiurlaub mehr abgewinnen wollen als Anreisechaos und überfüllte Pisten. Ökotourismus erfreut sich in Japan steigender Popularität. Kombinierbare Angebote in naturnahen Skiregionen wie Schneeschuhwandern oder Langlaufen sind in Japan aber noch Mangelware.

Japans Probleme – oder erkennen wir uns da irgendwie wieder? Ich bin gespannt auf die Diskussionsergebnisse des Interski-Kongresses und danke meinem Kollegen Masaaki Kureha, University of Tsukuba, für sein Update aus japanischer Sicht.

12. Jänner 2011


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