hp
  • Kräfte Bündeln - Neues bewegen - Ziele erreichen 

HP  ⁄  Blog

Antworten auf knappe öffentliche Kassen

Ernst Schöpf, Bürgermeister von Sölden und neuer Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes, betont im Gespräch mit der Haimayer Projektbegleitung die Bedeutung interkommunaler Zusammenarbeit im Bereich der Freizeitinfrastrukturen und zeigt Wege auf, um bestehende Hindernisse zu überwinden

HP: Herr Schöpf, als neu gewählter Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes haben Sie sich unter anderem die interkommunale Zusammenarbeit auf die Fahnen geheftet. Als Tourismusberater vorrangig im Destinationsbereich sehen wir die übergemeindliche Kooperation im Infrastrukturbereich als eines der wichtigsten Themen der Zukunft. Warum ist aus Ihrer Sicht die interkommunale Zusammenarbeit bei der Freizeitinfrastruktur in Tirol zunehmend aktuell?

Schöpf: Interkommunale Kooperation ist vor allem eine Antwort auf die knappen öffentlichen Kassen. Die Zeiten, in denen sich eine Gemeinde alles leisten kann, sind definitiv vorbei. In einigen Bereichen macht man schon seit langem sehr gute Erfahrungen mit gemeindeübergreifenden Kooperationen - bei Abwasserverbänden und Sozialsprengeln, im Musikschulwesen oder bei Krankenhäusern. Für die Zukunft muss man das Feld der interkommunalen Zusammenarbeit noch einmal genau ansehen. Ich sehe auch die eine oder andere Chance bei den Service- und Dienstleistungen. Gerade bei den Freizeitinfrastrukturangeboten kann durch gemeindeübergreifende Lösungen dem Bürger gleiche, wenn nicht bessere Qualität geboten werden als wenn jede Gemeinde alles selber versucht.

HP: Warum gibt es noch wenig interkommunale Zusammenarbeit bei Freizeiteinrichtungen? War der Handlungsbedarf in anderen Bereichen größer?

Schöpf: Der Handlungsbedarf war sicher größer, etwa weil klar ist, dass sich nicht jede Gemeinde ein Krankenhaus leisten kann. Hier musste von Beginn an gemeindeübergreifend gedacht werden. Ein Beispiel ist auch das Abwasser: Solche Anlagen zu bauen und zu betreiben sprengt die Möglichkeiten einer einzelnen Gemeinde, zudem ist für eine pfiffige Betriebsstruktur eine gewisse Größe notwendig. Eine biologische Kläranlage nach allen Bestimmungen, die heute das Wasserrecht fordert, ist für eine Gemeinde mit 700 Einwohnern und 1.000 Gästebetten kostenmäßig schlicht ein Unsinn. Meine Heimatgemeinde Sölden mit ihren eigenen Einrichtungen bildet hier eine Ausnahme, das hat aber auch mit der Topografie und der großen räumlichen Ausdehnung des Gemeindegebietes zu tun.

Eine Freizeitanlage braucht auch eine gewisse Zahl an potenziellen Nutzern. Wir erleben das beim Schließen der Kleinschwimmbäder, die alle aus den 1960er und 1970er Jahren stammen, einer Zeit, in der jedes Dörfchen sein Freibad gebaut hat. Inzwischen sind schon viele verschwunden. Ich kenne auch kein Hallenbad und keine Mehrzweckhalle, die letztlich Geld abwirft. Das sind alles Dinge, die man sich leisten will oder auch muss – gerade im Tourismus. Dabei verdient man nicht einmal die Investition und zahlt auch operativ noch jährlich dazu. Streng betriebswirtschaftlich betrachtet müsste man eigentlich zusperren. Eine gemeindeübergreifende Lösung verteilt zumindest die Last auf mehrere Schultern und kann zudem noch eine bessere Angebotsqualität hervorbringen.

HP: Seit einiger Zeit haben wir Planungsverbände und größere Tourismusverbände. Ist hier spürbar, dass diese Institutionen die Bereitschaft zur gemeindeübergreifenden Schaffung solcher Einrichtungen verstärken?

Schöpf: In zarten Ansätzen ja!. Die Planungsverbände, die dieser Tage drei Jahre alt werden, leben für mich sichtbar bisher nur dort, wo ohnehin schon belebte Vorgängermodelle bestanden haben. Ansonsten sind sie noch eher eine Organisationshülse, für die aber die Infrastruktur ein klassisches Feld wäre – gerade wenn es darum geht, Gemeinsamkeiten zu entwickeln und Standortfragen zu klären.

Die Tourismusverbände sind auch Impulsgeber. Im Ötztal überlegt man sich in der Produktentwicklung schon sehr genau, was wo am besten hinpasst. Die führenden Funktionäre denken in der Dimension des Tales und treffen in der sachlichen Betrachtung auch meist die beste Entscheidung. Dadurch werden auch schwächere Orte mit einem Angebotspunkt gestärkt, der für das ganze Tal eine Rolle spielt.

HP: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hindernisse und Hemmschwellen für gemeindeübergreifende Freizeiteinrichtungen?

Schöpf: Zunächst ist es Kirchturmdenken. Es gelingt sehr schwer, den gemeinsamen Nutzen zu kommunizieren. Und ein gewisses Hindernis - oder im umgekehrten Fall auch der Schlüssel zum Erfolg - sind die handelnden Personen. Diese sind ein zentraler Faktor, denn wenn die Chemie zwischen den Promotoren passt, ist sehr viel zu erreichen.

HP: In den Medien wurden zuletzt mehrfach Bestrebungen des Landes kommuniziert, die gemeindeübergreifende Zusammenarbeit zu verstärken. Aus anderen Bundesländern kennen wir dazu gezielte Fördermodelle. Woran arbeitet Tirol?

Schöpf: Der Gemeindereferent, Landeshauptmann Günter Platter, hat festgehalten, dass es darüber gemeinsam nachzudenken gilt. Ich selbst möchte das in meiner neuen Funktion als einen der ersten Schwerpunkte angehen. Noch im Juli werden sich ca. 20 Bürgermeister treffen, um zu diskutieren was sich hier konkret anbietet. Eine talweite Schneeräumung beispielsweise macht nur in jenen Tälern Sinn, in denen im Winter nicht Teile voneinander abgeschnitten sind. In anderen Gebieten ist das sehr wohl möglich - den Bürger kümmert es schließlich nicht, von welchem Bauhof das Gerät kommt, solange in der Früh vor seiner Haustüre geräumt ist. Feuerwehren sind ein ähnliches Beispiel, hier können Einheiten gleich schlagkräftig, aber kostengünstiger geführt werden. Im Zillertal z.B. betreut die Feuerwehr der Gemeinde Zell am Ziller auch noch drei Nachbargemeinden. Das ist positiv, auch wenn es nicht leicht ist, dem jeweiligen Kommandanten zu sagen, dass er in Zukunft möglicherweise nur mehr der Sous-Chef sein wird. Aber wir müssen auf die knapper werdenden Kassen reagieren und ich gehe davon aus, dass wir neue Bereiche finden werden, wo interkommunale Kooperation in einem topografisch sinnvoll abgegrenzten Raum funktioniert.

HP: Wenn wir zehn, fünfzehn Jahre in die Zukunft blicken, was wären die langfristigen Perspektiven für Tirol? In welche Richtung können wir uns entwickeln?

Schöpf: Was meiner Meinung nach in Tirol nicht funktionieren wird sind Gemeindefusionen, da macht der Tiroler Kopf nicht mit. Diesbezügliche Verwaltungsreformen halte ich für unmöglich. Wo aber die Reise unweigerlich hingeht ist, dass man den Bürger- und Kundennutzen im Auge hat. Hier eignen sich die bereits erwähnten Beispiele, da es für den Bürger nicht ausschlaggebend ist, wer die Dinge erledigt sondern nur dass sie gut erledigt werden. Zudem wäre in der Verwaltung einiges zu machen. Denn dass bei fünf Gemeinden in einem Tal jede einen Lohnverrechner braucht, der sich ständig weiterbilden muss um à Jour zu bleiben, ist nicht unbedingt einsehbar. Sicher werden zunehmend Dienstleistungen zwischen Gemeinden ausgetauscht werden, ohne dass sich deswegen politische Grenzen verschieben. In Osttirol funktioniert das z.B. bei den Bausachverständigen sehr gut.

HP: Wo sehen Sie nun Lösungsansätze? Kann hier Druck von der Raumordnung kommen, braucht es gesetzliche Regelungen oder ein Förderinstrumentarium, um den Prozess zu beschleunigen?

Schöpf: Da braucht es ein Maßnahmenbündel. Wenn die führenden Köpfe der gleichen Überzeugung sind, ist das der erste entscheidende Schritt. Die Überzeugungsarbeit kann durch Appetithäppchen finanzieller Natur unterstützt werden. Die Fusion der Tourismusverbände, die letztlich auf dem Verordnungsweg umgesetzt wurde, wurde in einer ersten Phase mit finanziellen Anreizsystemen gesteuert, was auch da und dort erfolgreich war. Daneben ist auch die überörtliche Raumordnung gefordert. Einige Dinge laufen hier bereits, ich denke an das Seilbahnkonzept, das inzwischen eine Verordnung ist, oder an die Golfplatzlösung. Allgemein ist zu sagen: Je professioneller die Akteure, umso leichter lässt sich ein überörtliches Denken umsetzen. Ich sehe bei meinen Bürgermeisterkollegen, die regelmäßig an der Gemeindeakademie teilnehmen, dass sich das Denken und Handeln verändert.

HP: Inwieweit kann externe Beratung eine Rolle spielen, wenn es darum geht gemeindeübergreifende Themen anzupacken?

Schöpf: Berater, Moderatoren, Mediatoren sind absolut hilfreich, wenn es darum geht, Partner an den Tisch zu holen und gegenläufige Interessen und Meinungen zusammenzuführen. Ich habe auch schon oft erlebt, dass es besser läuft, wenn jemand Externer Termine vereinbart und Arbeiten zuteilt und einfordert. Und nicht zuletzt: Immer wenn es nach Veränderung riecht, gibt es beharrende Elemente - von den Funktionären bis zu den Mitarbeitern. Kooperation bedeutet ja auch, dass ich möglicherweise Aufgabenbereiche abgeben muss. Es zählt daher zu den Aufgaben des Beraters, das Change Management immer mit im Auge zu haben und die in Veränderungsprozessen unweigerlich auftretenden Chaosphasen zu strukturieren.

HP: Eine letzte Frage: Kann man im Hinblick auf die regionale Abstimmung privat finanzierte Freizeiteinrichtungen mit öffentlichen Einrichtungen vergleichen?

Schöpf: Ja, das denke ich schon. Wenn ein Projekt raumordnerisch an einem bestimmten Standort gewollt ist, wird sich der Privatinvestor mit diesem Standort auseinandersetzen und sich die Frage stellen, ob die Investition dort unverändert interessant ist. Manchmal treffen die Wünsche auch zusammen – ein Golfplatz macht in unseren Breitengraden sowohl aus strukturellen als auch aus topographischen und klimatischen Gründen weiter vorn im Tal meist mehr Sinn. Wie überall gilt es hier Kompromisse zu finden, aber ich denke dass auch bei privaten Projekten der regionale, gemeindeübergreifende Gedanke mitschwingen sollte.

HP: Herr Schöpf, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen bei Ihrer neuen Aufgabe viel Freude und Erfolg.

20. April 2009


» zum Kontaktformular